Amtsgericht erklärt unverlangte E-Mail-Werbung an Anwälte für zulässig

dedie
Da das Aussortieren nicht bestellter Reklame weniger als zehn Sekunden in Anspruch nehme, kann der Empfänger nicht den Erlass einer einstweiligen Verfügung dagegen verlangen. Dies hat das Amtsgerichts (AG) Dresden entschieden (Az. 114 C 2008/05). Laut AG überwiege das Interesse des Versenders an der "bequemen und kostengünstigen Werbemethode", sodass die geringe Störung des Betriebsablaufes beim Account-Inhaber hinzunehmen sei. Auch könne dem Empfänger zugemutet werden, dass er dem Versender eine kurze E-Mail mit der Bitte schickt, ihn aus dem Verteiler zu löschen. Andere Gerichte sehen dies hingegen völlig anders, wie beispielsweise der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.

Vor Gericht gezogen war eine Anwaltskanzlei, nachdem zwei Partner nicht bestellte E-Mail-Werbung eines Anbieters von Seminaren erhalten hatten, in der für die Tagung "Öffentlichkeit und Anwalt" die Reklametrommel gerührt wurde. Um sich gegen weitere Zusendungen zur Wehr zu setzen, verlangten die Advokaten die zukünftige Unterlassung und den Ersatz der ihnen entstandenen Rechtsverfolgungskosten. Da zwischen dem Unternehmen und der Kanzlei kein Wettbewerbsverhältnis bestand, stützten die Anwälte ihr Unterlassungsbegehren auf Paragraf 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach bei fehlender vorheriger Einwilligung ein rechtswidriger Eingriff in den Gewerbebetrieb vorliege. Das sah der Versender ganz anders. Anstelle die Kosten zu übernehmen, teilte er per Telefax mit, dass die Kanzlei aus dem Verteiler genommen werde.

Zu Recht, wie das Amtsgericht urteilte. Da sich die Anwälte auf das BGB beriefen, müsse eine Interessenabwägung vorgenommen werden, die zugunsten des Versenders ausfalle. Nach Auffassung des AG habe das Interesse des Klägers an einer ungestörten Ausübung seines Berufes ohne ungebetene Werbung zurückzutreten, da dem Interesse des Versenders an einer "bequemen und kostengünstigen Werbemethode" der Vorrang einzuräumen sei. Schließlich sei die Störung gering, da die nicht bestellten Mails in weniger als zehn Sekunden gelöscht werden können. Auch werde durch die einlaufenden Werbe-Mails nicht der Empfang anderer Post blockiert, wie beispielsweise bei nicht gewünschter Fax-Werbung, so das Gericht weiter. Auch folgte das Amtsgericht dem Seminaranbieter darin, dass die Zusage der Löschung aus dem Verteiler ausreichend gewesen sei. Aufgrund des entsprechenden Telefax wäre es den Anwälten zumutbar gewesen, eine kurze E-Mail an den Versender zu schicken und die Löschung aus dem Verteiler zu bestätigen. Auch dies hätte weniger als zehn Sekunden gedauert.

Die Entscheidung des Amtsgerichts steht im absoluten Gegensatz zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Das höchste deutsche Zivilgericht hatte im März 2004 unverlangt zugesandte Werbe-E-Mails für unzulässig erklärt. Gestritten hatten im dortigen Fall zwei Internetdienstleister über die Zulässigkeit nicht bestellter Reklame-Mails nach den Bestimmungen des UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Als Hauptargument für das Verbot schrieb der BGH dem Versender ins Gebetbuch, dass eine Werbeart bereits dann unzulässig ist, wenn sie "den Keim zu einem immer weiter Umsichgreifen in sich trägt" und ein Nachahmungseffekt zu befürchten sei. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes hat das Amtsgericht Dresden sehr wohl gesehen. Es war aber der Auffassung, dass die dort gefällten Grundsätze ausschließlich für das Wettbewerbsrecht gelten, nicht aber für das bürgerliche Gesetzbuch.

Keine Aussage hatte der BGH hingegen zu dem Argument aus Dresden getroffen, dass sich betroffene Empfänger mittels einer E-Mail an den Versender wenden und diesen um Löschung aus dem Verteiler bitten könnten. Andere Gerichte halten aber trotz dieser Option am Verbot fest. So hat beispielsweise das Amtsgericht in Mannheim auch bei einer Abmeldeoption innerhalb unverlangt zugesandter Newsletter die Rechtswidrigkeit des Versands ausgesprochen. Schließlich bestehe die Gefahr der Weitergabe der E-Mail-Adresse an Dritte mit der Folge, dass der Betroffene zukünftig noch mehr Reklame erhalte.

Trotz der Entscheidung aus Dresden gehen wegen des Urteils des BGH zahlreiche Juristen davon aus, dass unverlangte E-Mail-Werbung auch weiterhin unzulässig ist. Der Versand von E-Mail-Reklame ohne Zustimmung des Empfängers ist demnach nur dann zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse an dem Empfang vermutet werden kann oder bei einer bestehenden Kundenverbindung. Im letzteren Fall ist der Versand aber gemäß Paragraf 7 Absatz 3 UWG nur dann zulässig, wenn der Kunde zuvor über mögliche Mail-Reklame aufgeklärt wurde, er nicht widersprochen hat und nur für ähnliche Waren oder Dienstleistungen geworben wird. (Noogie C. Kaufmann) / (jo/c't)


QUELLE
MobyDuck
Da hat sich aber ein Amtsrichter ganz schön über zu abrechnungsfreudige Advokaten geärgert. muhaha

Man muss sich den Fall mal bildlich vorstellen:

Da ist ein Unternehmen, das bietet Fortbildungsseminare für Anwälte an. Um auf so eine Veranstaltung aufmerksam zu machen, verschickte das Unternehmen E-Mails an Anwaltskanzleien. Auch an unsere Dresdner Pfiffikusse. Und was machen die? Sie löschen nicht einfach die Mail oder lassen sich aus dem Verteiler austragen, nein, sie schicken ein Unterlassensbegehren mit Rechnung. Auf so'ne Gelegenheit, nen schnellen Euro zu machen hat man schließlich schon lange gewartet. Nur spielt das Fortbildungsseminar nicht mit. Anstatt zu zahlen, teilen sie nur mit, die Advokaten aus dem Verteiler gelöscht zu haben. So'n Pech aber auch, damit ist der Fall nämlich erstmal kaputt, da keine Wiederholungsgefahr besteht. So schnell gibt aber ein Advokat nicht auf, wenn es um die eigene Kohle geht. Also wird zum Gericht gelaufen und der Anspruch auf § 823 gestützt (unerlaubte Handlung, da braucht's keine Wiederholungsgefahr). War nicht clever genug, der Richter war leider nicht so dämlich wie offenbar erwartet. Nana

Der Heise-Artikel wirft übrigens einiges durcheinander:

1. In dem BGH-Urteil ging es um eine ganz andere Fallkonstellation. Da ging es um wettbewerbswidriges Verhalten.

2. Gegen unerwünschte Mails besteht immer ein Unterlassungsanspruch. Aber darum ging es ja letztendlich in dem Gerichtsverfahren nicht. Die Anwälte wollten unbedingt Kohle sehen.

Ich finde daher das Urteil richtig gut. Hoffentlich klopfen die Gerichte bestimmten Kanzleien weiterhin auf die Finger, die das Net für einen Selbstbedienungsladen halten.
top
dedie
Zitat:
Ich finde daher das Urteil richtig gut. Hoffentlich klopfen die Gerichte bestimmten Kanzleien weiterhin auf die Finger, die das Net für einen Selbstbedienungsladen halten.


Full Ack yes
DerBilk
Jetzt weiß ich auch, warum mir Dresden letzte Woche Dienstag und Mittwoch so durchaus sympathisch war, als ich zum ersten Mal dort war... :)
Vimes
Zitat:
Original von MobyDuck
Die Anwälte wollten unbedingt Kohle sehen.


Offensichtlich Augen rollen
Sich wegen EINER Mail so aufzuregen...

MfG
Vimes
MobyDuck
Zitat:
Sich wegen EINER Mail so aufzuregen

Die haben sich nicht aufgeregt. Wetten? Die haben drauf angestoßen. War nur nix. großes Grinsen
dedie
Täusche ich mich jetzt, oder wiederspricht sich da was(wer) grübeln


Zitat:
Admin-C haftet für Spam

Nach einer Entscheidung (PDF-Datei) des Landgericht Berlin haftet der Admin-C einer Domain für darüber versandte unerwünschte E-Mail-Werbung. Dies entschied das Landgericht mit Beschluss vom 26. September 2005 (Az. 16 O 718/05).

Im vorliegenden Fall hatte der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, von einem Unternehmen ohne vorherige Anforderung oder bestehenden Geschäftskontakt eine Werbe-Mail für Autoreifen erhalten. Das Gericht sah hierin in Übereinstimmung mit der herrschenden Rechtsprechung eine erhebliche, nicht hinnehmbare Belästigung und einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht beziehungsweise den Gewerbebetrieb des Empfängers. Dabei sei es unerheblich, dass nur eine Werbe-Mail übersandt worden sei. Diese Werbeform berge die "Gefahr der Ausuferung" in sich, so dass jeder einzelne Mitverursacher für die Gesamtwirkung verantwortlich gemacht werden müsse.

Für einen solchen Rechtsverstoß haftet nach Ansicht des LG Berlin auch der Admin-C "für die Inhalte des von der Domain generierten Newsletter". Dessen Haftung ergebe sich zudem auch aus dem Impressum, wo er als Vertreter der Domain-Inhaberin angegeben ist. Dass der Admin-C tatsächlich für die Inhaberin deren Angelegenheiten regelte, ergebe sich auch aus einem vorprozessual von ihm eingereichten Formular.

Die Entscheidung der Berliner Richter bekräftig nicht nur die herrschende Rechtsprechung zu unerwünschter E-Mail-Werbung, von der es jüngst eine juristisch und technisch nicht zu vertretende Abweichung gab. Gleichfalls bestätigt der Beschluss einige jüngst ergangene Urteile zur Haftung des Admin-C sowohl für Inhalte einer Domain als auch im Falle eines Kennzeichenstreits. (Joerg Heidrich) / (anw/c't)


QUELLE
MobyDuck
Zitat:
Täusche ich mich jetzt,

Nee. Du täuscht dich nicht. Wenn das so gelaufen ist, wie Heise das darstellt, dann stünde die Entscheidung tatsächlich in völligem Widerspruch zu dem Dresdner Urteil.

Wir haben dabei nur ein Problem: Wir können es nicht überprüfen. Ich habe mal nachgeguckt, aber ich kann die beiden Urteile nirgendwo im Original finden (wenn jemand einen Link hat: Immer her damit!). D. h. wir kommentieren Kommentare...

Mir fällt nur folgendes auf:
Zitat:
Die Entscheidung der Berliner Richter bekräftig nicht nur die herrschende Rechtsprechung zu unerwünschter E-Mail-Werbung, von der es jüngst eine juristisch und technisch nicht zu vertretende Abweichung gab.

Auch wenn man das dauernd wie eine tibetanische Gebetsmühle wiederholt, wird dieser Satz nicht richtiger. Wie schon gesagt, ging es in der BGH-Entscheidung um eine ganz andere Fallgestaltung (Unterlassungsanspruch bei wettbewerbswidrigem Verhalten). Hier geht es um Schadensersatzansprüche. Das ist ganz was anderes. Die Entscheidung des Dresdner Gerichts ist auch nicht "juristisch und technisch unvertretbar". Ich weiß beim besten Willen nicht, worin der Schaden liegen soll. Meines Erachtens liegt der Schaden auch nicht in den -angeblich- entstandenen Anwaltskosten. Die waren nämlich völlig überflüssig und stellen daher einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar.

Leider ist die neue Nachricht juristisch sehr verkürzt und tendenziös geraten. Insbesondere wissen wir nicht, ob der Mail-Versender angeboten hat, den Advokaten aus dem Verteiler zu streichen (das war ja gerade der Witz in dem Dresdner Fall). Ich reime mir folgendes zusammen:

Es geht hier um den Admin-C. Der haftet jedoch nach herrschender Meinung subsidiär, d.h. wenn der Seitenbetreiber nicht greifbar ist. Also liegt die Vermutung nahe, dass der Seitenbetreiber auf ein Unterlassungsbegehren überhaupt nicht reagiert hat. Dann sieht die Sache natürlich schon wieder ganz anders aus und das Urteil wäre eben nicht mit dem Dresdner Fall zu vergleichen.

Mich würde nur mal interessieren, warum Heise so massiv in die IMO falsche Richtung Stimmung macht. Ist der zuständige Verfasser vielleicht selbst Anwalt?
soul115
Hallo,

der Beschluss des LG Berlin ist im heise-Artikel als pdf verlinkt, hier.

Das Urteil des AG Dresden finde ich leider auch nicht.
MobyDuck
@ soul
Danke für den Link. Habe ich echt überlesen.

War doch etwas anders als von mir vermutet. Interessant ist vor allem der letzte Absatz der Entscheidung:

"Allein die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (Anm: Abmahnung) kann die Wiederholungsgefahr beseitigen, sodass es auf die vorprozessual von dem Antragsgegner mitgeteilten Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Rechtsverletzungen nicht ankommt."

Ähm, wie bitte? Muss man den Teufel (Spam) mit dem Beelzebub (Abmahnungswahnsinn) austreiben? Es erstaunt mich nicht, dass die Berliner diese Auffassung nicht weiter ausführen...
dedie
Also wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, so langt eine kleine unerwünschte Werbemail aus um einen Haufen Geld zahlen zu müssen grübeln
Vimes
Zitat:
Original von MobyDuck
"Allein die Abgabe [...]


"Allein" im Sinne von "Einzig"? Merkwürdige Auffassung, in der Tat.

MfG
Vimes