Geschrieben von dedie am 15.09.2005 um 19:49:
[Heise]Verfassungsbeschwerde gegen Link-Verbot
Der Heise Zeitschriften Verlag hat wie angekündigt Verfassungsbeschwerde gegen zwei Urteile von Münchener Gerichten eingelegt. Die Richter hatten dem Verlag untersagt, in einem Online-Bericht einen Link auf eine ausländische Webseite zu setzen. Dort wird Software angeboten, für die in Deutschland nicht geworben werden darf.
Auf der Dokumentationsseite "Heise versus Musikindustrie" ist die Begründung der Verfassungsbeschwerde im vollen Wortlaut nachzulesen. Nach Meinung des Verlags greifen die Gerichte mit diesem Verbot massiv in die verfassungsmäßig garantierte Freiheit der Berichterstattung (Artikel 5 GG) ein. Das Oberlandesgericht München habe in seinem Urteil Hyperlinks im Rahmen der Online-Berichterstattung als "zusätzlichen Service" abqualifiziert. Links seien aber essenziell für den freien Journalismus im Web.
Acht große Unternehmen aus der Musikindustrie hatten das Link-Verbot erwirkt, nachdem heise online in einem News-Bericht im Zusammenhang mit der kritischen Würdigung von Werbeaussagen des Herstellers von AnyDVD einen Link auf dessen Website setzte. Die Musikindustrie stützt ihren Verbotsanspruch auf den neuen und umstrittenen Paragrafen 95a Absatz 3 des Urheberrechtsgesetzes, der nach Ansicht des Verlags allerdings nicht als Begründung für die Einschränkung von Grundrechten herhalten kann.
Der Sache kommt eine Bedeutung weit über den Einzelfall hinaus zu. Die Urteile würden dazu führen, dass das Setzen von Links für Online-Journalisten zu einem unkalkulierbaren Risiko würde. Mit seiner Beschwerde strebt der Verlag deshalb eine grundsätzliche Klärung der Rechtslage an. (cp/c't)
QUELLE
Geschrieben von Grizzly am 16.09.2005 um 02:27:
finde ich absolut
,dass Heise sich nicht die Butter vom Brot nehmen laesst.Was die MI manchmal so alles in Angelegenheiten hineininterpretiert,erinnert schon fast an Grimm's Maerchen...
es wird noch soweit kommen,dass nur noch Links gesetzt werden koennen,die mit dem deutschen Recht in Einklang sind
YIKES!!!!
Geschrieben von Vimes am 16.09.2005 um 11:04:
Zitat: |
Original von Grizzly
es wird noch soweit kommen,dass nur noch Links gesetzt werden koennen,die mit dem deutschen Recht in Einklang sind |
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In manchen Fälle wäre das durchaus zu begrüßen. [1]
Allerdings sollte nach wie vor gelten, daß Links, die zu reinen Recherchezwecken angegeben werden, davon ausgeschlossen bleiben. Dann ist auch gesichert, daß man über neue Produkte berichten kann. [2]
MfG
Vimes
[1] Rechtsradikale Inhalte, z.B.
[2] Wobei das sowieso ein Schwachsinn hoch zehn ist. Als ob ein ONU heutzutage keinen Link selbst findet...
Geschrieben von MobyDuck am 16.09.2005 um 12:28:
Versuchen wir doch mal eine Subsumtion in Kurzfassung:
Für eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde brauchen wir die Verletzung einfachen Rechts durch das Oberlandesgericht. Diese Rechtsverletzung ("Fehlurteil") muss dann auch noch zu einer Grundrechtsverletzung führen (vereinfacht).
Einschlägig ist § 95a UrhG, und dort Absatz 3:
Zitat: |
3) Verboten sind die Herstellung, die Einfuhr, die Verbreitung, der Verkauf, die Vermietung, die Werbung im Hinblick auf Verkauf oder Vermietung und der gewerblichen Zwecken dienende Besitz von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen sowie die Erbringung von Dienstleistungen, die
1. Gegenstand einer Verkaufsförderung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen sind oder (...)
2. abgesehen von der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen nur einen
begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben oder
3. hauptsächlich entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht werden, um
die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu
erleichtern.
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Hmm, ist ein Link in einem Online-Artikel solche "verbotene Werbung"? Ich habe mit Vimes gewaltige Zweifel. Die Verlinkung führt noch nicht zu einer Verkaufsförderung oder Werbung. Wer das Produkt haben möchte, braucht mit Google ne halbe Minute bis zu dem Link.Die Existenz der fraglichen Produkte ist auch hinlänglich bekannt.
Zwischenergebnis: Man kann mit guten Argumenten vertreten, dass das OLG-Urteil falsch ist (weltfremd ist es allemal, aber das heißt nichts.)
Aber führt das auch schon zu einer Grundrechtsverletzung? Heise beruft sich auf die Freiheit der Berichterstattung. Ohne Frage ein hohes Gut, das Gegenteil wäre Zensur. Allerdings gilt diese Freiheit nicht unbeschränkt. Schranken sind immer dort, wo unzulässig in die Rechte Dritter eingegriffen wird.
Man könnte zunächst denken, das Urteil des OLG war falsch und daher sei auch die MI nicht in ihren Rechten verletzt.Aber so einfach wird es nicht gehen, das BVG darf nicht einfach seine etwaig abweichende Auslegung der Rechtsbegriffe "Werbung" und "Verkaufsförderung" an die Stelle der Auslegung des OLG setzen (keine Superrevisionsinstanz).
Vielmehr wird sich das BVG fragen müssen, ob die Auslegung des OLG derartig eklatant falsch ist, dass Heise auch unter Berücksichtigung der Rechte der MI in seinen Grundrechten verletzt ist.
Weiter muss sich das BVG ggf. fragen, ob das Gesetz (§95a UrhG) überhaupt verfassungskonform ist, weil etwa die Rechte der Presse nicht genügend geschützt werden.
Ich bin skeptisch. Allerdings sind die Entscheidungen des BVG sehr schwer vorherzusehen. Man darf sich die Entscheidungsfindung nicht so vorstellen, dass da ein paar Richter im stillen Kämmerlein an einem Urteil brüten. Jeder Verfassungsrichter hat einen Stab von wissenschaftlichen Mitarbeitern, die zuarbeiten. Und es ist sehr schwer zu prognostizieren, was die sich ausdenken.
Zunächst einmal muss die Verfassungsbeschwerde durch die Eingangsprüfung.Da entscheiden 3 Richter, ob die Beschwerde überhaupt angenommen oder wegen offensichtlicher Unbegründetheit zurückgewiesen wird. Wenn Heise diese Hürde schafft, wird es spannend.
edit:
P.S.: Möglich ist auch, dass sich das BVG die Sache ganz einfach macht und die Verfassungsbeschwerde aus formalen Gründen kippt. Die Möglichkeit besteht, da die Entscheidung in einem Eilverfahren ergangen ist. Das BVG könnte daher theoretisch sagen, der Rechtsweg sei noch nicht ausgeschöpft, die Parteien könnten ja noch klagen. Nicht ohne Grund nimmt diser Punkt in der Begründung der Verfassungsbeschwerde sehr viel Raum ein...