In dem einleitenden ersten Teil haben wir gesehen, dass der Streitwert in der Strategie der Abmahner eine ganz besondere Rolle spielt. Verschaffen wir uns daher einen kurzen Überblick, um was es beim Streitwert geht.
Der so genannte Gebührenstreitwert ( es gibt auch noch den Zuständigkeitsstreitwert, der interessiert hier nicht) ist im Gerichtskostengesetz und im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelt. Es gibt Tabellen, in denen festgelegt ist, welche Gebühren bei welchem Streitwert an das Gericht und an den Rechtsanwalt zu zahlen sind. Um so höher der Streitwert, desto höher sind die Gebühren.
Doch wie wird der Streitwert errechnet? In so genannten vermögensrechtlichen Streitigkeiten ist dies meist kein Problem: Wenn ich von einem betrügerischen Verkäufer bei Ebay eine defekte Grafikkarte kaufe, entspricht der Streitwert nun mal dem Kaufpreis. Schwieriger wird es, wenn sich der Konflikt nicht ohne weiteres in Geld ausdrücken lässt. Was ist in einem Scheidungsverfahren die kaputte Ehe wert? Oder vor dem Arbeitsgericht der Arbeitsplatz? Für diese beiden Fallgruppen gibt es ausdrückliche Regelungen im Gesetz.
Solche Regelungen fehlen jedoch für die uns interessierenden Unterlassungsansprüche. Und nun? Im holprigen Juristen-Deutsch heißt es, ausschlaggebend für die Streitwertberechnung sei das wirtschaftliche Interesse des Klägers (also des Abmahners) an der Unterlassung. Etwas weniger geschwollen kann man auch sagen, der Streitwert wird in diesen Fällen mit mehr oder weniger breitem Daumen geschätzt.
Festgesetzt wird der Streitwert vom Gericht. Ist noch gar kein Gericht eingeschaltet, dann legt der Rechtsanwalt den Streitwert fest und rechnet danach gegenüber seinem Mandanten ab. Diese Gebühren hat nach deutschem Recht unter Umständen der Gegner (der Abgemahnte) zu erstatten. Dies ist zunächst der Fall, wenn der Abgemahnte einen Prozess verliert, außergerichtlich wird die Erstattungspflicht mit Schadensersatz wegen des Rechtsverstoßes begründet.
Um den im 1. Teil angesprochenen Druck gegen private Seitenbetreiber aufzubauen – und natürlich auch, um möglichst viel zu verdienen -, setzen die Abmahner den Streitwert so hoch wie möglich fest. Hierbei werden sie von keinem Gericht überprüft. Das geschieht nur dann, wenn es zu einem Prozess kommt. Wie schon erwähnt, ist es sehr beliebt, den in gewerblichen Abmahnfällen nicht unüblichen Streitwert von 50.000 Euro ohne nähere Begründung zu übernehmen. Für Firmen ist diese Streitwerthöhe meist kein Problem. Doch der private Seitenbetreiber sitzt schon in der Falle, sobald er eine Abmahnung erhält. Auch wenn die Abmahnung berechtigt ist, muss er einen Anwalt einschalten, wenn er sich gegen die Höhe des Streitwertes wehren will. Und es kann passieren, dass auch der eigene Anwalt nach dem hohen Streitwert abrechnet, da ja nun mal der Betrag geltend gemacht und damit in der Welt ist. Daher ist die Versuchung groß, ohne anwaltliche Hilfe eine Einigung mit dem Abmahner zu suchen, die meist auf eine Ratenzahlung hinausläuft. Und diese Ratenzahlung löst neben Zinsen weitere Gebühren des Abmahnanwaltes aus (Stichwort: Teilzahlungsvergleich).
Genau darauf spekulieren die Abzocker.