Versuchen wir doch mal eine Subsumtion in Kurzfassung:
Für eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde brauchen wir die Verletzung einfachen Rechts durch das Oberlandesgericht. Diese Rechtsverletzung ("Fehlurteil") muss dann auch noch zu einer Grundrechtsverletzung führen (vereinfacht).
Einschlägig ist § 95a UrhG, und dort Absatz 3:
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3) Verboten sind die Herstellung, die Einfuhr, die Verbreitung, der Verkauf, die Vermietung, die Werbung im Hinblick auf Verkauf oder Vermietung und der gewerblichen Zwecken dienende Besitz von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen sowie die Erbringung von Dienstleistungen, die
1. Gegenstand einer Verkaufsförderung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen sind oder (...)
2. abgesehen von der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen nur einen
begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben oder
3. hauptsächlich entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht werden, um
die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu
erleichtern.
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Hmm, ist ein Link in einem Online-Artikel solche "verbotene Werbung"? Ich habe mit Vimes gewaltige Zweifel. Die Verlinkung führt noch nicht zu einer Verkaufsförderung oder Werbung. Wer das Produkt haben möchte, braucht mit Google ne halbe Minute bis zu dem Link.Die Existenz der fraglichen Produkte ist auch hinlänglich bekannt.
Zwischenergebnis: Man kann mit guten Argumenten vertreten, dass das OLG-Urteil falsch ist (weltfremd ist es allemal, aber das heißt nichts.)
Aber führt das auch schon zu einer Grundrechtsverletzung? Heise beruft sich auf die Freiheit der Berichterstattung. Ohne Frage ein hohes Gut, das Gegenteil wäre Zensur. Allerdings gilt diese Freiheit nicht unbeschränkt. Schranken sind immer dort, wo unzulässig in die Rechte Dritter eingegriffen wird.
Man könnte zunächst denken, das Urteil des OLG war falsch und daher sei auch die MI nicht in ihren Rechten verletzt.Aber so einfach wird es nicht gehen, das BVG darf nicht einfach seine etwaig abweichende Auslegung der Rechtsbegriffe "Werbung" und "Verkaufsförderung" an die Stelle der Auslegung des OLG setzen (keine Superrevisionsinstanz).
Vielmehr wird sich das BVG fragen müssen, ob die Auslegung des OLG derartig eklatant falsch ist, dass Heise auch unter Berücksichtigung der Rechte der MI in seinen Grundrechten verletzt ist.
Weiter muss sich das BVG ggf. fragen, ob das Gesetz (§95a UrhG) überhaupt verfassungskonform ist, weil etwa die Rechte der Presse nicht genügend geschützt werden.
Ich bin skeptisch. Allerdings sind die Entscheidungen des BVG sehr schwer vorherzusehen. Man darf sich die Entscheidungsfindung nicht so vorstellen, dass da ein paar Richter im stillen Kämmerlein an einem Urteil brüten. Jeder Verfassungsrichter hat einen Stab von wissenschaftlichen Mitarbeitern, die zuarbeiten. Und es ist sehr schwer zu prognostizieren, was die sich ausdenken.
Zunächst einmal muss die Verfassungsbeschwerde durch die Eingangsprüfung.Da entscheiden 3 Richter, ob die Beschwerde überhaupt angenommen oder wegen offensichtlicher Unbegründetheit zurückgewiesen wird. Wenn Heise diese Hürde schafft, wird es spannend.
edit:
P.S.: Möglich ist auch, dass sich das BVG die Sache ganz einfach macht und die Verfassungsbeschwerde aus formalen Gründen kippt. Die Möglichkeit besteht, da die Entscheidung in einem Eilverfahren ergangen ist. Das BVG könnte daher theoretisch sagen, der Rechtsweg sei noch nicht ausgeschöpft, die Parteien könnten ja noch klagen. Nicht ohne Grund nimmt diser Punkt in der Begründung der Verfassungsbeschwerde sehr viel Raum ein...