Wenn auch etwas verspätet, hier ist der nächste Teil unserer kleinen Abmahnserie. Diesmal wollen wir uns überlegen, was zu tun ist, wenn dem Webseiten-Betreiber eine Abmahnung ins Haus geflattert ist.
Eins vorab: Ohne Anwalt geht gar nichts, das bedeutet, bei jeder Abmahnung besteht ein kaum zu kalkulierendes finanzielles Risiko. Doch auf der anderen Seite sitzt ein Volljurist, für einen Nichtjuristen wäre das ein ungleicher Kampf.
Unser Anwalt wird zunächst überprüfen, ob die Abmahnung berechtigt ist. Da die Fallkonstellationen kaum zu überblicken sind, ist dies bereits eine anspruchsvolle Aufgabe. Damit es hier nicht noch trockener wird – ich mute euch genug zu-, werden wir uns mit verschiedenen Fallkonstellationen bei der Besprechung einzelner aktueller Beispiele beschäftigen. Außerdem wird unser Anwalt einige Formalien überprüfen: Ist eine Unterlassungserklärung beigefügt? Liegt eine schriftliche Vollmacht an? Wird der beanstandete Sachverhalt ausreichend konkretisiert? Und so weiter.
Gehen wir zunächst einmal davon aus, dass die Abmahnung begründet ist, etwa weil der Admin eines Forums auf eine Seite mit verbotenen Inhalten verlinkt hat. Jetzt wird unser Anwalt sofort mit der Gegenseite Kontakt aufnehmen und versprechen, dass die rechtswidrigen Inhalte umgehend entfernt werden und dass so was nie wieder vorkommt. Gut und schön, aber es bleiben die Kosten. Wie wir schon gesehen haben, werden die Abmahnungen in der Regel mit happigen Rechnungen garniert.
Zunächst wird sich unser Anwalt Gedanken machen, ob die Abmahnung „missbräuchlich“ ist. Kurz gesagt vertreten die Gerichte inzwischen die Auffassung, dass der Abgemahnte die Kosten nicht ersetzen muss, wenn die Abmahnung „rechtsmissbräuchlich“ ist. Etwa, wenn sie erkennbar nur ausgesprochen wurde, um damit auf die Schnelle Geld zu verdienen (§ 8 Abs. 4 UrhG) oder wenn es sich um eine sogenannte „Massenabmahnung“ handelt. Erfahrungsgemäß neigen Laien dazu, vorschnell eine Rechtsmissbräuchlichkeit anzunehmen, für eine halbwegs sichere Beurteilung ist jedoch eine gehörige Portion Erfahrung notwendig. Da die Gerichte außerdem keine klaren Regeln aufgestellt haben, wann denn überhaupt „Missbräuchlichkeit“ vorliegt, kann dies meistens nur ein Hilfsargument sein.
Schauen wir mal weiter. In Foren lese ich immer wieder das Argument, der private Abgemahnte müsse nicht die Anwaltskosten übernehmen, weil es gar nicht notwendig sei, einen Anwalt einzuschalten, Anruf oder Email hätte genügt. Der Abmahner verstoße somit gegen seine Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB, wenn er einen Anwalt engagiert. Hört sich zunächst gut an, hat aber Tücken. Die Abmahner sagen nämlich, durch die Abmahnung werde ein teurer Prozess vermieden und dadurch bereits der Schaden klein gehalten. Das ist natürlich völlig weltfremd, wenn eine Privatperson abgemahnt wird, aber juristisch logisch.
Außerdem kommt noch der Begriff der „Geschäftsführung ohne Auftrag“ ins Spiel. Dies ist für einen Nichtjuristen dermaßen unglaublich, dass ich ein wenig ausholen muss: Stellen wir uns einmal vor, in unserem Garten steht eine alte Linde. Nach einem Sturm wird sie windschief und droht, jeden Augenblick auf das Nachbarhaus zu fallen. Der Nachbar befürchtet einen Riesenschaden und wir sind gerade nicht erreichbar. Dann kann der Nachbar selbst das Fällen der Linde in Auftrag geben und uns dann die Rechnung präsentieren. Durch die umsturzgefährdete Linde sind wir zum Störer geworden und die Beseitigung dieses rechtswidrigen Zustandes ist auch in unserem Interesse, weil wahrscheinlich durch das Fällen ein viel größerer Schaden vermieden wird. Genauso argumentieren die Abmahner: Durch den abgemahnten Inhalt wird der Seitenbetreiber zum Störer. Die Beseitigung der Störung liege auch im Interesse des Betreibers, da hierdurch eventuell ein Riesenschaden vermieden werde. Also habe der Betreiber die Aufwendungen, sprich die Anwaltskosten, zu tragen. Wir sollen also für die Abmahnung auch noch dankbar sein. Das ist einem Laien kaum zu vermitteln, aber so mancher Jurist nickt bedächtig und erfreut sich an dieser eleganten Konstruktion. Trotzdem schadet es natürlich nichts, wenn unser Anwalt die Meinung vertritt, die Einschaltung eines Anwalts sei nicht nötig gewesen und der Abmahner könne daher gefälligst die Kosten seines Advokaten selbst tragen.
Denn außerdem wird unser Anwalt bei überzogenen Rechnungen (und die meisten Rechnungen in Abmahnfällen sind überzogen) die Streitwertberechnung angreifen. Er wird argumentieren, falls wir überhaupt die Kosten zu tragen haben, dann aber bitte schön nur nach einem angemessenen Streitwert. Über diesen Streitpunkt lässt sich auch schneller prozessieren als über die Frage, ob die Abmahnung als solche berechtigt war. Denn Streitwert in dem Gebührenprozess ist nicht der (meist überzogene) Wert der Abmahnung selbst, sondern „nur“ die Höhe der Gebühren. Die Chancen, in einem solchen Prozess die Gebühren des Abmahnanwaltes auf ein erträgliches Maß zu stutzen sind ganz gut.
Aber trotzdem wird die Abmahnung für uns ein teurer Spaß: Unser Anwalt hat sich zunächst mit der berechtigten Abmahnung beschäftigt. Das wird er uns gegenüber abrechnen. Außerdem haben wir einen Prozess über die Gebührenhöhe geführt. Darin stecken immer Risiken. Und letztendlich müssen wir dem Abmahnanwalt wahrscheinlich auch noch die gestutzten Gebühren überweisen. Das kann einen privaten Betreiber ganz schön in Verlegenheit bringen.
So, damit es nicht zu viel auf einmal wird, schauen wir uns beim nächsten Mal an, was zu tun ist, wenn die Abmahnung nicht berechtigt ist.